Jeder von uns dürfte bereits mehr als einmal auf ihm Platz genommen haben. Mal ist er glänzend weiß, mal verkratzt und verstaubt. Auch in Farbe gibt es ihn. Er steht auf dem Sportplatz und auf dem Volksfest, begleitet uns beim Campen und begegnet uns in fernen Ländern. Monobloc ist ein Stuhl, wie er demokratischer kaum sein könnte. Dies macht ihn, mit geschätzt über einer Milliarde Exemplaren, zum meist verkauften Möbelstück weltweit.
Nun erobert der Kinofilm Monobloc die Lichtspielhäuser. Aber keine Angst, der Zuschauer darf weiterhin bequem auf gepolsterten Sesseln Platz nehmen. Denn Monobloc ist Protagonist des gleichnamigen Films. Und spätestens hier macht er eine mehr als ansehnliche Figur.
Ein Stuhl, ein Phänomen, ein Film
Der Film von Grimme-Preisträger Hauke Wendler nimmt uns mit auf eine Entdeckungsreise zwischen Europa und Südamerika, Asien und Afrika. Was wir entdecken, sind vor allem Sichtweisen, die unterhaltsam dokumentiert aber nie wertend aufgezeigt werden. In deutschen Städten werden Passanten um ihre Meinung zum Monobloc gebeten und es überrascht wohl wenig, dass dabei auch vernichtende Urteile gefällt werden.
Doch Hauke Wendler bereist auch andere Länder und Kulturkreise und stellt fest: hier wird der Stuhl einfach als solcher, als Sitzmöbel, wahrgenommen. Warum sich weiter darüber Gedanken machen, wenn man ihn doch so wunderbar stapeln, so bequem nutzen und so leicht mit sich tragen kann?
Keine Spur vom Image des Umweltverschmutzers, das dem Plastikstuhl in unseren Breitenkreisen anhängt und ihm hier und dort Verwendungsverbote beschert hat. In den armen Regionen dieser Welt hat der Spritzgussstuhl wenn nicht einen viel besseren so doch zumindest einen neutraleren, pragmatisch wertschätzenden Ruf. Wieder andere Begegnungen handeln von Menschen, die einen ganz persönlichen Mehrwert des Monobloc definieren. Sie bringen geborstene Exemplare zum Recyclinghof, um sich ein paar Cent zu verdienen. Oder sie entwickeln ihn weiter zum erschwinglichen Rollstuhl.
Ein Stuhl, der die Designwelt beschäftigt
Der Regisseur Hauke Wendler ist nicht der erste, der sich ausführlich mit dem Phänomen des Monobloc, der die Welt erobert, auseinandersetzt. So hat beispielsweise Vitra dem Stuhl vor einigen Jahren die Ausstellung „Monobloc – Ein Stuhl für die Welt“ gewidmet, die seine Entstehungsgeschichte erzählte. Sie deckte ihrerseits die unterschiedlichsten Anwendungskontexte auf und erzählte von Vorläufern und Nachfolgemodellen aus illustrer Hand. Denn letztendlich ist Monobloc vor allem eines: ein Objekt aus Spritzguss, einzig aus Kunststoff, das in nur wenigen Minuten gefertigt werden kann. Wie viele Produkte und Designobjekte unserer Zeit.
Was macht den Monobloc also zum Monobloc, wie er im Film zu sehen ist? Und welche Form nimmt er an – oder vielmehr: welche Form entsteht aus dieser oder einer ähnlichen Spritzgusstechnik, wenn ihn renommierte Designbrands wie etwa Kartell interpretieren? Was passiert, wenn kreative Köpfe wie Fernando und Humberto Campana (Transplastic, 2007), Martí Guixé (seit 2004 mehrere Kunstobjekte zum Thema) oder Martino Gamper (Monothrone, 2017; 100 Chairs in 100 Days, 2017) den Monobloc weiterdenken? Wie wiederum ordnen wir Vorläufer wie den Panton Chair von Verner Panton aus den späten 1950er Jahren ein, die bereits Spritzgusstechnologien anwenden?
Es war der französische Ingenieur Henry Massonnet, der 1972 den „Fauteuil300“ entwarf und so die Form und Qualität des Monobloc entwickelte, mit der wir heute den Plastikstuhl ganz instinktiv konnotieren. Massonnet machte es sich zum Ziel, vor allem zeitsparend und kostengünstig zu produzieren. Damit traf er den Nerv der Zeit, woraufhin er, begünstigt durch ein fehlendes Patent, zahlreiche Nachahmer weltweit fand. Der Monobloc wurde populär, zum Selbstläufer, in allen Formen und Farben. Allein die Ölkrise Mitte der Siebziger machte den Monobloc zeitweise zum Luxusgut. Inzwischen dauert die Herstellung dieser und ähnlicher Sitzgelegenheiten aus Polypropylen – Tische, Hocker, Bänke und Liegestühle gesellen sich inzwischen zum Klassiker – knapp eine Minute. Und auch der Rohstoff, ob frisch gewonnen oder recycelt, ist kein Kostentreiber mehr.
Der Film, das Buch, der Podcast
Monobloc ist ein Stuhl, über den es mehr zu erzählen gibt, als man annehmen möchte. So darf man sich beim Kinobesuch auf eine interessante, kuriose und unterhaltsame Zeit freuen. Auf eine Weltreise, anhand eines industriellen Erzeugnisses, das Design, Geschmack und Nachhaltigkeit in Frage stellt und gleichzeitig in seiner Leichtigkeit und Funktionalität unentbehrlich werden konnte. Der Film MONOBLOC ist eine globalisierungskritische Objektgeschichte zwischen Funktionalität und Schönheit, Kapitalismus und Teilhabe, Konsum und Recycling.
Vertrieben durch Salzgeber, läuft der Film ab dem 27.1.2022 in deutschen Kinos. Ein Trailer und die Vorführtermine sind hier einzusehen.
Begleitend zum Film erscheint im Februar der gleichnamige Bildband MONOBLOC im Verlag Hatje Cantz. Er enthält Texte von Hauke Wendler, für die Gestaltung zeichnet Rutger Fuchs verantwortlich.
Und auch der NDR hat sich dem Phänomen gewidmet, mit einer siebenteiligen Podcast-Reihe, die hier zu hören ist.